Marburg-Wehrda. „Hätte mir jemand vor 42 Jahren gesagt, dass ich mal hier im DGD Diakonie-Krankenhaus Wehrda arbeiten würde – ich hätte laut gelacht“, sagt Friedhelm Jung. Denn er war damals ausgebildeter Agrartechniker und hätte als Landwirt den Hof der Eltern übernommen – so zumindest der Plan. Doch es kam anders: Friedhelm Jung sollte zum Wehrdienst eingezogen werden. „Als gläubiger Mensch kam Dienst an der Waffe für mich aber nicht infrage“, sagt er. Also verweigerte er – „was damals, Anfang der 80er-Jahre, noch zu einer Art Gerichtsverhandlung führte“, erinnert sich Jung. Die Gewissens-Befragung vor dem damaligen „Prüfungsausschuss“ war jedoch erfolgreich, und der damals 22-Jährige entschied sich, seinen Zivildienst im Diakonie-Krankenhaus in Wehrda (DKH-W) abzuleisten.
Der Anfang war für ihn nicht leicht, „denn ich arbeitete auf der ,Männerstation‘, die es damals noch gab. Da war ich für die Männer, die häufig noch den Zweiten Weltkrieg miterlebt hatten, der Kriegsdienstverweigerer“. Doch Jung machte seine Arbeit dennoch Spaß. Nach dem Ende seines Zivildiensts wurde er von der damaligen Oberschwester gefragt, „ob ich nicht als Aushilfe einspringen könnte“. Konnte er. Und wollte er – auch, wenn das auf dem elterlichen Hof zunächst nicht auf große Gegenliebe stieß. Doch Jungs jüngerer Bruder übernahm, und so konnte Friedhelm Jung guten Gewissens im Diakonie-Krankenhaus aushelfen. Seine erste Abrechnung vom 29. Februar hat er noch: 1000 D-Mark blieben ihm damals nach Abzügen für 13 Tage Dienst.
Aushilfe auf Dauer war für Jung keine Option
Doch für Jung stand fest: Aushilfe auf Dauer – das war nichts für ihn. Er absolvierte also die Ausbildung zum Krankenpfleger. Und ist dem Diakonie-Krankenhaus auch heute, nach 40 Jahren Festanstellung, als „Flexi-Rentner“ weiter treu. Flexi-Rentner? „Ich bin vergangenes Jahr mit 63 in Rente gegangen – arbeite aber seither weiter drei Tage in der Woche.“ Denn das DKH-W lässt ihn nicht los – auch, wenn er es schätzt, nun mehr Zeit für die Familie zu haben und keine Nachtdienste mehr schieben zu müssen. Zehntausenden Patienten hat Jung bisher geholfen, hat Ärzte und Kollegen kommen und gehen sehen. Und auch so manche Freundschaft geschlossen. Wie lange er noch Dienst tun möchte, darauf will er sich nicht festlegen. „So lange es geht, man von meiner Erfahrung profitieren möchte und ich fit bin“, sagt er. Denn fit hält ihn der Job, „das zeigt mir mein Schrittzähler am Ende jeder Schicht“, sagt der 64-Jährige lachend.
Die berufliche Geschichte von Friedhelm Jung ist die, die an diesem Mittwochabend, an dem das DKH-W seine verdienten Mitarbeitenden ehrt, die längste: Für seine 40 Jahre im Dienst erhält er die Ehrenurkunde der Diakonie Deutschland. „Das ist die höchste Ehrung, die von der Diakonie vergeben wird“, sagt Krankenhaus-Geschäftsführer Sebastian Spies. Er weiß auch: Alle Geehrten an diesem Abend – egal, ob sie seit 10, 25 oder 40 Jahren dabei sind –, haben nicht nur spannende Biografien. „Sie sind das Fundament unseres Krankenhauses, hier stehen fast 300 Jahre Krankenhaus-Erfahrung“, verdeutlicht Spies während seiner Ansprache.
Und auch, wenn er vor den Mitarbeitendenehrungen immer nach einem passenden neuen Zitat suche, so lande er immer wieder bei „Wähle einen Beruf, den du liebst – und du brauchst keinen Tag in deinem Leben mehr zu arbeiten“. Denn dieser Sinnspruch „gilt wahrscheinlich für viele von Ihnen, die seit vielen Jahren unserem Krankenhaus treu sind“. Gerade die vergangenen Zeiten hätten gezeigt, dass „vor allem unter Corona die gesamte Gesellschaft verstanden hat, wie wichtig ein funktionierendes Gesundheitssystem ist. Mit Menschen, die selbst unter den schlimmsten Bedingungen bereit sind, sich um andere zu kümmern und die ein System aufrecht halten“. Leider hätten heute offenbar viele wieder vergessen, „dass unsere Krankenhäuser mit ihren Beschäftigten unabdingbar für die Gesundheitsversorgung sind. Daher möchten wir heute sagen: ,Schaut her, dass es Menschen gibt, die sich für diesen herausfordernden Beruf entschieden haben.‘“ Und das, obwohl in der Außensicht die Berufe im Gesundheitswesen eher negativ konnotiert seien: „Schichtdienst, schlechte Arbeitsbedingungen, Umgang mit Leid, Krankheit und Tod – ständig schlägt Ihnen gefühlsmäßig etwas Negatives entgegen.“ Doch hätten die Jubilare gute Gründe gefunden, „sich von all diesen Argumenten niemals klein machen zu lassen“.
Zuvor hatte der Ärztliche Direktor Dr. Timon Vassiliou bereits betont, dass die lange Zugehörigkeit der Jubilare „zeigt, dass wir als Dienstgemeinschaft ein gutes und solides Fundament haben“. Pflegedirektor Claus Bollong betonte: „Sie bringen einen unglaublichen Erfahrungsschatz mit und sind Allrounder, die das Haus wie Ihre Westentasche kennen.“ Die Jubilare seien mit dem Haus „durch gute und schlechte Zeiten gegangen – und das Haus auch mit Ihnen, denn jeder hat freudige und schlechte Ereignisse in seiner Biografie. Es zeichnet unser Diakonie-Krankenhaus aus, dass wir auch dann für Sie da sind.“ Und Wolfgang Rey, Vorsitzender der Mitarbeitervertretung, betonte: „Ihr alle wart und seid maßgeblich an der Geschichte und Weiterentwicklung unseres Krankenhauses beteiligt.“ Neben dem Geld seien es „Kollegen, Arbeitsbedingungen und die Werte unseres Krankenhauses, die uns alle in Loyalität miteinander verbindet“.
Sebastian Spies ehrte folgende Jubilare und zeichnete sie ab 15 Jahren mit dem Silbernen Kronenkreuz (SK) und ab 25 Jahren mit dem Goldenen Kronenkreuz (GK) der Diakonie aus:
- 10 Jahre: Dr. Jörg Schwab, Karina Brücke, Nina Löwer, Charline Weitzel.
- 15 Jahre (Silbernes Kronenkreuz): Sabine Vogel, Florian Krüger, Heike Merte.
- 20 Jahre (Silbernes Kronenkreuz): Kerstin Schneider.
- 25 Jahre (Goldenes Kronenkreuz): Gerhard Rieck, Heike Blumberg, Stina Weferling.
- 35 Jahre (Goldenes Kronenkreuz): Christoph Riemer, Christiane Bötzel.
- 40 Jahre (Ehrenurkunde Diakonie Deutschland): Friedhelm Jung.